Oder der Konkurs im Obinger-Imperium des Josef Alois Mayr vom Samerweg
Über den Einzug der Moderne in Absam konnten vor über 120 Jahren, am 3. September 1902, die „Innsbrucker Nachrichten“ folgendes berichten:
„Neues Elektrizitätswerk in Absam. Der Besitzer des neu hergestellten Sägewerks mit elektrischem Betrieb, Herr Josef Mayr, Gutsbesitzer beim Obinger in Breitweg-Absam, ließ auch eine elektrische Beleuchtungsanlage mit Benützung der zur Verfügung stehenden Wasserkraft herstellen, von welcher die Eigentümer selbst und mehrere benachbarte Gutsbesitzer, sowie Besitzer des Badgasthauses in Hl. Kreuz elektrische Beleuchtung der Wohn- und Ökonomiegebäude und des Gasthausgartens mit Veranda beziehen. Am Donnerstag, 4. September wird diese von der Firma Gebrüder Geppert in Hall sehr solide hergestellte Beleuchtungs-Anlage der öffentlichen Benützung übergeben.“

Ein Absamer Miniatur-Konzern
Damit hatte Josef Alois Mayr nur drei Jahre nach Übernahme des Obinger-Besitzes am Samerweg im Jahr 1899 einen weiteren und entscheidenden Schritt für sein lokales Firmen-Imperium gesetzt. Mayr entwickelte ab der Jahrhundertwende eine Art „vertikalen“ Absamer Konzern mit Firmen, die er – ganz im Sinn der Moderne – auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette arbeiten lassen konnte. Ziel war die Errichtung eines neuen, modernen Wohn- bzw. Villenviertels im Süden am Dorfrand hin zu Hall. Sein Sägewerk, seine Ziegelei (dort, wo heute in Hall die Thaurer Gemüseunternehmer ihren Sitz haben) und sein Fuhrunternehmen zusammen mit der Strasser-Schottergrube in Absam waren die Voraussetzung für den von Mayr angestrebten Wohn- und Straßenbau. Sollten doch „seine“ Villen in der auf bisher rein landwirtschaftlich genutzten Fläche zu errichtenden Wohngegend bereits mit so sensationellen Neuheiten wie einer eigenen Wasserleitung und eigener, breiter und fein geschotterter Straße mit Alleebäumen ausgestattet sein.
Dem deutschnationalen bürgerlichen Trend um 1900 folgend trugen die Straßen in „seinem“ Viertel auch die Namen von Ikonen des Deutschtums: Schiller- und Humboldstraße – gemeint war der deutsche Universalgelehrte Alexander von Humboldt mit noch einem zusätzlichen harten T. Während aber die Schillerstraße fertiggestellt werden konnte, blieb Mayr in der Humboldstraße nach Kurzem stecken, sie sollte mit ihren fast acht Metern Breite das neue Villenviertel im Süden von Absam quer durch die Felder mit Kirche und Dörferstraße verbinden. Noch heute endet diese Straße abrupt wie im „Nichts“.

Das Geld der anderen
Einen Blick auf den in nur etwas mehr als zehn Jahren von Josef Mayr allerdings weniger mit den Gewinnen seiner Unternehmen, sondern vor allem mit dem Geld von Kreditgebern und privaten Absamer Investoren angehäuften Besitz konnte die Öffentlichkeit bereits 1912 werfen. Josef Alois Mayr war zahlungsunfähig geworden und der anschließende „Obinger-Konkurs“ beschäftigte immer wieder die lokale und überregionale Presse.
Nutznießer des aufsehenerregenden Absamer Finanzcrashs am Breitweg war die im ganzen Habsburg-Imperium agierende Anglo-Österreichische Bank. Der „Allgemeine Tiroler Anzeiger“ listete am 31. Oktober 1913 die Konkursmasse von Josef Mayr auf: Villa Tirol (heute Samerweg 10), ein Wohnhaus mit Acker, das Sägewerk mit Wohnhaus, Lagerplatz und Elektrizitätswerk, zwei Wiesen, fünf Waldteile, ein Wohnhaus mit Obst- und Frühgarten, fünf weitere Wiesen am Breitweg, die Farbmühle am Amtsbach mit Wasserkraft, Äcker und Baugründe am Breitweg und weitere Äcker und Waldteile in Absam, zuletzt hat der Konkursrichter Mayrs Pferde und Fuhrwagen versteigert. Der Obinger in Absam tauchte dann wieder 1915 in den Zeitungen auf, als auf den Feldern des Obingerhofs mit dem Bau der Baracken des k. k. Heeres-Pferdespitals begonnen wurde.
Das Ende der guten, alten Zeit
Schaffung von Infrastruktur wie Straßen und Wasserleitungen in Eigenregie, vertikale Firmenstrukturen, dünne Eigenkapitaldecke und dafür viel Fremdkapital, breite Streuung des Risikos auf zahlreiche private Investoren und rascher Besitzerwechsel …
Mit dem Obinger-Konkurs vor über 110 Jahren gingen in Absam die „alten Zeiten“ zu Ende und der Kapitalismus hielt für viele, die Geld in die Projekte von Josef Mayr gesteckt und damit verloren hatten, Einzug. Josef Mayr aber verließ Absam für immer, er starb 1956 in Niederösterreich.


Text und Bilder: Matthias Breit