Moto Guzzi, Harley-Davidson und Emmy Graßmayer im Halltal
Das Halltal war auf den neuesten technischen Stand gebracht worden. Das Bundesheer „hatte unter dem Kommando des Majors Gratze in sehr begrüßenswerter Weise eine Telephonleitung“* hinauf bis zum Herrenhaus gelegt und „Mitglieder des Radfahrervereines Absam besorgten die Streckenbesetzung“, „während den Sanitätsdienst die Freiwillige Rettungsgesellschaft Hall“ übernommen hatte.
Damit herrschten in Absam ideale Bedingungen für die „moderne Kraftfahrzeugindustrie“, „einen anstandslosen Beweis“ ihrer Leistungsfähigkeit zu liefern. Dass die im Halltal erreichten Spitzengeschwindigkeiten weit jenseits der 60 km/h aber nicht nur der primitiven Formel „mehr ist mehr“ geschuldet waren, darauf machte Richard Holzhammer bereits einen Tag nach der Salzbergfahrt in einem großen Inserat aufmerksam: „Zweite Bestzeit trotz schwächster Motorleistung“.
Schranken im Halltal durchbrochen
Die modernen Zeiten – sieben Jahre nach Ausrufung der Republik – machten sich aber nicht nur beim Durchstoßen von technischen, sondern auch von gesellschaftlichen Schranken bemerkbar: Startete doch mit Nummer 1 Emmy Graßmayer, die auch als Leichtathletin bekannte Sportlerin aus Innsbruck, das unüberhörbare Rennen durch das Halltal. „Von der Tiefe des Tales herauf hörte man schon das Knattern der einzelnen Motoren, das das Herannahen jedes Konkurrenten schon lange vor dessen Sichtbarwerden ankündigte. Und die Hänge des Halltales, die Wände des Zunderkopfes, des Bettelwurfes und der anderen Berge gaben dazu ein vielfaches Echo.“ Da das Wetter am Sonntag, 5. Juli 1925, äußerst günstig gewesen war, hatten sich „Tausende Zuschauer eingefunden, um sich den interessanten Kampf der Motorräder anzusehen und insbesondere an den Hängen in der Nähe des Bettelwurfeckes, von denen aus man eines der interessantesten Stücke der Straße überblickt, lagerten Hunderte und verfolgten mit Spannung die Arbeit der Konkurrenten auf der steilen Strecke.“ Der Platz war gut gewählt, denn „ab halb 12 Uhr trafen dann die Motorräder mit Beiwagen ein; von den fünf gestarteten erreichten jedoch nur drei das Ziel. Eines hatte sich auf der Strecke überschlagen, doch kamen der Fahrer und der Begleiter ohne Verletzungen davon.“ Aber auch der „sonst tüchtige Haller Fahrer Engelbert Bacher hatte hinter dem Bettelwurfbründl Pech und mußte das Rennen aufgeben. Er kehrte jedoch zum Start zurück und fuhr dann noch einmal außer Konkurrenz in der guten Zeit von 6 Min. 51 Sekunden die ganze Strecke durch.“

Auch Frauen fuhren von Anfang an beim Salzbergrennen mit: Emmy Grassmayr im Jahr 1925 im Alter von 16 Jahren knapp vor dem Ziel beim Herrenhaus.
Gewichtswechsel am Bettelwurfeck
Der „prächtige Erfolg dieser Veranstaltung, der weit über die Grenzen unseres Landes hinaus Aufsehen erregte, führte zum Entschlusse, diese alpine Wettfahrt als nationale Veranstaltung“ 1926 zu wiederholen.
Der Bericht über dieses zweite Salzbergrennen im Juli 1926 zeigte dann auch, warum das Bettelwurfeck wiederum von hunderten „Menschen belebt“ war, „die von ihren Standplätzen den schönsten, zugleich aber auch schwersten Teil der Rennstrecke überblicken konnten. Bald nach 10 Uhr passierte die Strecke als erstes Rad die Beiwagenmaschine des Innsbruckers Helmuth Gruber. Der Fahrer bemühte sich zwar, aus seiner Maschine so viel als möglich herauszuholen, seine Mitfahrerin machte dieses Bemühen aber durch ihr ungeschicktes Verhalten zum Teil zunichte. Vor Teilnahme an der nächsten Konkurrenz wird Herr Gruber gut tun, recht fleißig zu trainieren oder sich eine andere Mitfahrerin zu suchen. Als zweiter Fahrer passierte Kurt Mair in guter Form das Bettelwurfeck und auch seine Mitfahrerin zeigte sich tüchtig. Das nächste Paar, Herr Direktor Gerold Riezler aus Reutte erregte durch sein elegantes und sicheres Fahren berechtigtes Aufsehen. Besonders die Mitfahrerin Dir. Riezlers, seine Frau fiel durch ihr schneidiges Benehmen und durch streng sportmäßiges Verhalten beim Gewichtswechsel vorteilhaft auf.“
Motorradsportliche Hochgebirgsleistungen
Es war zwar 1925 „zum ersten Male auf der Salinenstraße im Halltal ein Rennen abgehalten“ worden, aber die Diskussion im Vorfeld über die Umfunktionierung „unserer herrlichen Bergstraßen“ in „Rennbahnen“ hatte gezeigt, „motorradsportliche Hochgebirgsleistungen“ waren weit über den Salzberg hinaus bereits 1924 erbracht worden. Am 25. Juni 1924 berichteten die Innsbrucker Nachrichten: “Am Sonntag, den 22. Juni, unternahmen vier Innsbrucker Motorradfahrer auf ‚Sunbeam‘-Maschinen eine Partie auf das Lafatscher Joch. Als ‚Anstiegsstrecke‘ wurde die Halltalerstraße bis zu den Herrenhäusern, deren Fortsetzung bis zum Wasserberg und von da an der Saumweg über das Ißjöchl zum Ißanger gewählt. Von dort aus führt der Steig in steilen Serpentinen bis zur Jochhöhe (2085 Meter) hinauf und auch dieses schwierige Wegstück wurde von allen Fahrern im Sattel sitzend – mit Ausnahme des Ueberganges über mehrere kleine Felstufen und eines größeren, den Weg verlegenden Schneefleckes, über welche Hindernisse die Maschinen natürlich hinweggehoben werden mußten – anstandslos überwunden.“
Diese Partie machten sich dann ein Jahr später die Kritiker zunutze. Unter dem Titel „Motorradwahnsinn“ wurden die Innsbrucker Nachrichten kurz vor dem Absamer Rennen „um Aufnahme folgender Zuschrift ersucht“: „Bei allem Verständnis für gesunden Sport muß gesagt werden, daß es nicht angeht, wegen einiger Dutzend Motorräder Tausenden von Fußwanderern die Benützung unserer herrlichen Bergstraßen zu verekeln, so daß das Publikum bald nicht mehr wissen wird, wo es Erholung finden kann. Um Motorräder auf ihre Leistungsfähigkeit auszuprobieren, wäre die Anlage von Rennbahnen zu empfehlen. Das Befahren von schmalen Bergstraßen ohne Seitenwege mit Steigungen von über 30 Prozent mit Geschwindigkeit bei 80, 100 und mehr Kilometer ist für Fahrer und Fußgänger viel zu gefährlich und soll von den Behörden im Interesse der öffentlichen Sicherheit unbedingt verboten werden. Die vorjährigen Kunststücke, mit Motorrädern das Lafatscherjoch und den Patscherkofl zu befahren, sind noch in lebhafter Erinnerung.“

Der Haller Motorradchampion Karl Braun hat ebenfalls an den Rennen im Halltal teilgenommen.
Wie sooft hatten aber diese „Apokalyptiker“ mit ihren Übertreibungen keine Chance und operierten mit weit übertriebenen Zahlen, wurde doch „die 8,7 Kilometer lange Strecke von der Abzweigung der Gnadenwalderstraße bis zu den Herrenhäusern vom besten Fahrer (Edi Linser – Innsbruck) in 8 Minuten 19 Sekunden, also mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 64,5 Kilometern gefahren!“ Außerdem hatten die antimodernen Nörgler überhaupt keinen Sinn für Fortschritt und dafür, dass „vor nicht allzuviel Jahren nicht das beste Kraftfahrrad diese Strecke bewältigen“ hätte können. 1908 hatte der Bote für Tirol und Vorarlberg noch über die im Vergleich zu 1925 nur als Zeitlupen- oder Schneckentempo zu bezeichnenden automobilen Fahrzeiten berichtet: „Aus Hall schreibt man uns: Dienstag den 27. d. Mts. haben die Herren Architekt Hutter und Richard Holzhammer mit einem 14- bis 16pferdigen Laurin- und Klement-Sportwagen eine Versuchsfahrt von Innsbruck zum Haller Salzberg unternommen, welche ein glänzendes Resultat ergab. Die Strecke Hall – Herrenhaus wurde anstandslos in nur 27 Minuten zurückgelegt. Das Herrenhaus ist vorher nur von zwei größeren Automobilen (ohne Karosserie), welche mit bedeutend stärkeren Motoren ausgestattet waren und von einem 5 bis 6 Pferdekraft-Puch-Motorrad erreicht worden.“

Nach dem Salzbergrennen 1925: Soldaten, Gendarmen, Sanitäter, Helfer, 19 Rennfahrer und eine Rennfahrerin am Ziel beim Herrenhaus.
Ausblick 1925
Nach der ersten Salzbergfahrt 1925 prophezeiten die Innsbrucker Nachrichten für die Zukunft: Der Tiroler Motorradfahrerschaft werde sich bei der Wiederholung dieses Rennens „die große Gelegenheit ergeben, auf dieser alpinen Strecke den heißen Kampf um die rascheste Bezwingung mit der letztmöglichen Schärfe gegen schwerste Konkurrenz auszutragen.“ Ein Jahr später, im Juni 1926, ließ dann eine Anmerkung im ausführlichen Rennbericht die „Schärfe“ des Kampfes hinauf zum Herrenhaus erahnen. Über den Sieger in der Beiwagen-Klasse heißt es: „Daß er diesmal in seiner Klasse siegen konnte, ist nur darauf zurückzuführen, daß sein einziger Konkurrent, Kurt Mair, in der letzten, steilsten Steigung vor dem Ziel einen Motordefekt erlitt und das Rad 60 Meter weit bis zum Ziel schieben mußte.“ Das begeisterte Publikum aber wurde streng verwarnt: „Bei den zukünftigen Rennen wäre nur zu wünschen, daß die Zuschauer mehr Disziplin halten und nicht durch unbedachtes Benehmen sich selbst und die Fahrer in Lebensgefahr bringen.“

Text: Matthias Breit
Podcast: Born to be wild 1925
Passend zum Thema auch der Podcast des Gemeindemuseums Absam: „Born to be wild 1925„